Die schönsten Helvetismen

 

migros-bananenWenn Schweizer miteinander deutsch sprechen, so sprechen sie üblicherweise schweizerdeutsch. Wenn Schweizer mit des Deutschen mächtigen Nichtschweizern sprechen, so sprechen sie hochdeutsch. Was viele Schweizer jedoch nicht wissen, ist, dass einige der Wörter, die für sie perfekt hochdeutsch sind, außerhalb der eigenen Landesgrenzen trotzdem für Verwunderung sorgen und zur Verständigung mit Dritten nur beschränkt dienlich sind. (Auch Österreicher unterliegen mitunter diesem Irrtum: zum Beispiel ist die Allzweckphrase „das geht sich nicht aus“ in Deutschland und der Schweiz weder dazu geeignet Termine abzusagen noch einen Geldmangel auszudrücken.)

Etablieren wir also die 10 schönsten Helvetismen auch in Deutschland, Österreich und Luxemburg. Und zwingen wir dafür die Schweizer, im Gegenzug das scharfe ß wieder zu verwenden.

**) Bei diesen Einträgen bestehen Zweifel, ob sie von den Schweizern selbst nicht doch als Schweizerdeutsch bzw. Schweizer Hochdeutsch erkannt werden – also im Gespräch mit Nichtschweizern bewusst unterlassen werden.

***) Bei diesen Einträgen bestehen Zweifel, ob sie nicht auch in Teilen Österreichs oder Deutschlands (die nicht unbedingt in unmittelbarer Nachbarschaft der Schweiz liegen) gebräuchlich sind.

Weitere Vorschläge, Anmerkungen, Einsprüche oder Verschiebungen bitte als Kommentar hier unten.

[Letztes Update: Sept. 2004]

Die Favoriten

  1. Hinschied: Tod
  2. einnachten: Nacht werden („Es nachtet ein.“)
  3. fertig: alle (D), aus (Ö) – „Der Lapin ist fertig.“ („Der Hase ist aus.“)
    zitiert aus dem Buch „Wenn man einen weißen Anzug anhat. Ein Tagebuch-Buch.“ von Max Goldt.
  4. zügeln/züglen: umziehen, übersiedeln (von einem Ort zu einem anderen)
    Anm.: Das gilt selbst für Daten auf Computern: „Outlook-Express-Daten zwischen PCs ‚züglen’“
    Anm. Dominique Haussener: Ein nettes Beispiel, wie verbreitet die Meinung ist, „züglen“ sei hochdeutsch, findet sich auf der Fehlerseite des größten Schweizer Internet-Providers Bluewin.
    Anm. Hans v. Rotenhan: Umziehen heisst nicht zügeln sondern züglen. Im Sprachgebrauch klinkt das wie „zügle“, was im Infinitiv sozusagen nach einem ’n‘ schreit.
  5. speditiv: schnell
    Anm. Hans v. Rotenhan: ein Wort, das ich in keinem Brief an Schweizer auslasse. Es heisst schnell und wird nur in Verbindung, etwas zu erledigen, verwendet. Ich habe auch schon Schweizer erlebt, die in einem englischen Brief schrieben „may I suggest to treat this matter speditively“.
  6. angefressen: begeistert (von etwas angefressen)
    Anm. Robert Stachel: Vorsicht ist geboten, das Wort bedeutet im Wienerischen genau das Gegenteil.
  7. parkieren, umparkieren: einparken bzw. sein Auto woanders hinstellen
    Anm. Christopher Wurmdobler: Durchsage by dä Migros St. Margareten: „Das Auto mit dem Kennzeichen XY bitte umparkieren“
  8. Natel: Mobiltelephon, Handy.
    Anm. Christopher Wurmdobler: Die Schweizer sagen statt Handy Natel nach der Telefongesellschaft.
    Anm. Dominique Haussener: Ursprünglich kommt der Begriff Natel von „Nationales Autotelefon“, ist jedoch ein eingetragene Marke der Swisscom. Da die Swisscom jedoch lange Zeit alleiniger Anbieter der Mobiltelefonie war, hat sich Natel quasi eingebürgert.
  9. Leerschlag: Leerzeichen
  10. Abänderung: Wechseljahre

Die Verfolger

  • Abdankung: Trauerfeier
  • abmachen, „wir machen morgen ab“: „wir treffen uns morgen“
  • absitzen: sich setzen, „Sitz ab, mach’s dir bequem!“
  • abspitzen: abschlagen, „Der Putz muss abgespitzt werden.“
  • Abwart: Hausmeister
  • allfällig: eventuell, etwaig, z.B. in Formularen: Allfällige zweite Adresse ***
    Anm. Robert Stachel: Das sagt man in Österreich auch gerne.
  • ändern: wird ohne „sich“ gebraucht. (Ansage bei Swisscom: „Diese Nummer hat geändert“)
  • anläuten: anrufen – „Lüetsch mi uf mim Natel a?“ („Rufst Du mich am Handy an?“)
  • antönen: andeuten
  • aufgestellt: fröhlich
  • ausschaffen: abschieben (z.B. Ausländer ohne Aufenthaltsbewilligung)
  • Beschrieb: Beschreibung
  • Betreibung: das Eintreiben von Schulden
  • Billet: Fahrschein
  • Camion: Lastkraftwagen
  • Car: Reisebus
  • Depot: Pfand
  • Egli: Barsch **
  • eindrücklich: beeindruckend
  • eine Busse bezahlen, gebüsst werden: Strafe bezahlen bzw. eine Geldstrafe kassieren
  • einstellen: eine Telefonnummer wählen („stell mr d Nummere vom Hans-Ruedi ei“)
  • es dünkt mich: mir scheint ***
    Anm. Hans v. Rotenhan: ist ein wunderbares Relikt aus Tagen, als das auch in Deutschland noch gebraucht wurde
  • Estrich: Dachboden (in Ö und D: fugenloser Fußboden)
  • Finken: Hausschuhe
  • fixfertig: fertig zubereitet, vor allem im Zusammenhang mit Fertiggerichten. ***
  • Fixleintuch: Spannbetttuch (D), Spannleintuch (Ö)
  • Fleischvögel: Rindsrouladen **
  • Fresszettel: Schmierpapier, Merkzettel.
  • Führerausweis: Führerschein
  • Garage: Werkstatt
  • glätten: bügeln
  • grillieren: grillen, barbecuen
  • gumpen: springen
  • Harrass: Kasten, Kiste (zum Beispiel Bierkasten)
  • harzig: zäh – „Aber der vielbeschworene Dialog über Kosovo kommt nur harzig voran.“
    Anm. Günther Hack: Findet man selbst in hochwertigsten Publikationen wie der NZZ regelmässig.
  • heben: halten, festhalten (das hochdeutsche „heben“ heisst auf Schweizerdeutsch „lüpfen“) ***
    Anm. Martin Osen: „heben“ im sinne von halten ist generell allemannisch (wird in dieser form unter anderem verifizierbar in vorarlberg, stuttgart bis nach ulm verwendet, sogar von personen, die von sich behaupten, hochdeutsch zu sprechen). darüber hinaus ist „heben“ auch im größten teil tirols üblich, also einem bairischen sprachgebiet (vergleiche: „des auto hebt nit in da kurvm“, zitat gerhard berger)
  • innert: innerhalb ***
    Anm. Robert Stachel: Las ich vor kurzem auch im Kurier. Etablierung ausserhalb CH beginnt.
    Anm. Axel Eble: „innert“ ist altes Deutsch und eher selten gebräuchlich, nichtsdestotrotz jedoch korrekt und nicht von helvetischer Prägung.
  • Jupe: Damenrock (aus dem Französischen)
  • Jus: Fruchtsaft
  • Kaffeerahm: Kaffeesahne
  • Kartoffelstock: Kartoffelbrei (D), Erdäpfelpüree (Ö)
  • Kontrollschild: Kfz-Kennzeichen
  • krampfen: hart arbeiten
  • laaf: schal, lasch langweilig **
  • lädelen: was neudeutsch unter window shoping bekannt geworden ist. **
  • lärmig: laut, lärmend
  • Lavabo: Waschbecken
  • Legi: Studentenausweis (–> Legitimationskarte)
  • Lichtsignal: Verkehrsampel **
  • lismen: stricken
  • lismeten: Strick (das Produkt beim Stricken)
  • lismeten: stricken
  • luften, „es luftet“: vgl. winden
  • lüpfig: „beschwingt“ (im Zusammenhang mit Musik) **
  • Morgenessen: Frühstück
  • Müesli: Müsli (in der Schweiz sind Müsli Mäuse)
  • Nachachtung verschaffen: dafür sorgen, dass eine Vorschrift oder Forderung befolgt wird
  • Nachtessen: Abendessen
  • Nastuch: Taschentuch
  • Nüsslisalat: Feldsalat, Rapunzelsalat (D), Vogerlsalat (Ö)
  • Pausenplatz: Schulhof ***
    Anm: Andreas Freitag: Pausenplatz ist kein Helvetismus, das ist z.B. im Frankenland (Würzburger Gegend, wo ich herstamme), eine durchaus gängige Bezeichnung für Schulhof.
  • Pendenzen: dringliche Aufgaben
  • Peperoni: Paprika
  • Perron: Bahnsteig
  • Pflichtenheft: Verzeichnis der mit einem Amt/einer Stelle verbundenen Aufgaben
  • pfunden: scheissen, kacken **
  • pfusen: schlafen **
  • pilzlen: Pilze suchen („go pilzle“) **
  • Plausch: Vergnügen, Spaß; einen Plausch haben
  • Pneu: Reifen
  • posten: einkaufen
  • pröbeln: rumprobieren, viele Versuche anstellen
  • Pünkte: (Tagesordnungs)punkte.
  • Rande: rote Beete
  • rassig: scharf (gewürzt)
  • Rechtsvortritt: rechts vor links (im Straßenverkehr)
  • Reservation: Reservierung (z.B. für Fahrkarten)
  • rezant: Beschreibung eines bestimmten Geschmackes. Es wird bei Käse verwendet, Ein Käsefondue kann rezant (herzhaft) sein oder aber laaf (s. ebd.)
  • Sackgeld: Taschengeld
  • Sackmesser: Taschenmesser
  • schaffen: arbeiten
  • Schale: Milchkaffee
  • schlitteln: rodeln
  • schmecken: riechen
    Anm. Martin Osen: „geschmack“ für geruch – zumindest in der verbform ist „schmecken“ für riechen im oberösterreichischen dialekt (bezirk kirchdorf) absolut üblich.
  • Seeanstoss (Seeanstoß): Seezugang – „ein Haus am Zürisee mit Seeanstoß“ ***
    Anm: Robert Stachel: „Seeanschluß“ kenn ich aus Österreich, aber ist das denn in Deutschland gebräuchlich?
  • Serviertochter: Kellnerin
  • snöben: Snowboard fahren **
  • springen: laufen
  • Stange: Glas Bier
  • Storen: Jalousien, Markise (Sonnenstore) über Sitzplatz
  • stossen: drücken (auf Türen), schieben (ein Fahrrad)
  • Telefon: Anruf, Du hattest ein Telefon von Herrn Maier.
  • Thon: Thunfisch
  • töggeln: Tischfussball spielen **
  • tönen: sich anhören – etwas tönt gut: etwas hört sich gut an
  • Traktandum: Tagesordungspunkt; Traktandenliste: Tagesordnung
  • Trolleybus: Oberleitungsbus
  • Trotinette: Tretroller
  • Trottoir: Gehsteig ***
  • Umschwung: das Land um ein Einfamilienhaus, z.B. der Garten
  • Umtriebe: Umstände. in Zürcher Trams stand bis vor einiger Zeit: ‚Werfen Sie kein Geld zum Fenster heraus! Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis haben bei unverzüglicher Zahlung eine Taxe von Fr. 50,- zu entrichten. Spätere UMTRIEBE werden zusätzlich verrechnet.
  • Unterbruch: Unterbrechung ***
    Anm. Friedrich Forsthuber: einige ORF-Reporter glauben das auch [dass das hochdeutsch wäre].
  • urchig: urig
  • Velo: Fahrrad
  • Vereinshöck: Stammtisch **
  • Vernehmlassungsverfahren: bestimmte Phase innerhalb des Vorverfahrens der Gesetzgebung (Link)
  • verunfallt: einem Unfall zum Opfer gefallen ***
    Anm André Voigt: Im Deutschen heißt es nach meinem Wortschatz genauso (gebürtiger Sachse, wohnhaft in Frankfurt).
  • verzeigen: anzeigen. „Die Polizei hat ihn verzeigt.“
  • winden, „es windet“: Der Wind weht. ***
    Anm. Axel Eble: „es windet“/“es luftet“ ist generell alemannisch. In meiner Heimat Freiburg ist das auch gebräuchlich, „luften“ allerdings deutlich seltener. (s. ebd.)
  • wischen: kehren
  • wunderfitzig: neugierig.
  • Zuchetti: Zucchini

Quellen/Mitarbeit: NZZ, micro-mobility, Nives Widauer, Thomas Voirol, Norbert Breda, Friedrich Forsthuber, Christopher Wurmdobler, Andreas Leo Findeisen, Günther Hack, Andreas Freitag, Dominique Haussener, cb4yh@…, André Voigt, Philippe Welti, Axel Eble, Hans v. Rotenhan, Jens Paulsen, Rafael Bischof, Peter Wyss, Martin Osen, George Meier, Christoph Stinner, Gabriele Horber, Martin Leitner, cetlin.


Kommentare

6 Antworten zu „Die schönsten Helvetismen“

  1. Avatar von Baldauf B.
    Baldauf B.

    Ist nicht auch „Verbotener Eingang“ ein Helvetismus? Die Beschriftung soll darauf hinweisen, dass nur Zutritssberechtige eintreten dürfen. Die Türe selbst ist selbstverständlich nicht illegal.

    1. In Österreich und Deutschland hätte ich das jedenfalls noch nicht gehört. Danke!

  2. Avatar von Björn B.
    Björn B.

    „Unterbruch“ ist einer meiner Lieblinge als Deutscher in der Schweiz:-) Und ganz analog dazu gibt es auch den „Untersuch“ beim Arzt. Die „Anstösser“ sind nichts Anstößiges, sondern die, die in Österreich „Anrainer“ und in Deutschland „Anlieger“ heißen… und man sagt nicht ZU einer Sache eine Bezeichnung, sondern man sagt EINER Sache eine Bezeichnung.
    „Fresszettel“ und „wunderfitzig“ haben Sternle/Sternli verdient: das sagen auch wir Schwaben:-)
    „rezant“ würde ich für einen Schreibfehler halten – „rezent“ ist im beschriebenen Sinne sehr geläufig, auch geschrieben auf Käsepackungen.
    Die Fugen-S tauchen im Schweizerischen im Vergleich zum Deutschen mal auf, mal ab… Zum Beispiel „Zugsende“ habe ich in der Schweiz schon oft gehört und in Deutschland oder Österreich noch nie.

  3. Avatar von Björn B.
    Björn B.

    … nicht zu vergessen typisch schweizerische Artikel: Tram und Mami sächlich, Migros dafür weiblich!

  4. Es heisst rezent, nicht rezant.
    Laaf hab ich noch nie in der Schweiz gehört.

  5. Laaf ist mir noch nie begegnet.
    Es heisst zwar Lismete (das Strickprodukt), das wird aber gelismet (lismen = stricken), aber selten auf hochdeutsch.
    Viele weitere Wörter stammen schlicht und oft wenig verändert aus dem Französischen (billet, camion, car, dépôt, garage, jupe, jus, lavabo, pneu, vélo uvam, die nicht aufgeführt sind wie Chauffeur, Occasion, Portemonnaie, Perron, Trottinett).

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